Was sind Pflanzenwachstumsmodelle?

Ein Pflanzenwachstumsmodell ist Computer-Software, mit welcher täglich das Wachstum (zB Biomasse, Ertrag) und die Entwicklung (zB Saataufgang, Blüte, Reife) von Kulturpflanzen wie Weizen, Mais oder Kartoffel simuliert werden können. Entwickelt werden diese Modelle von Wissenschaftlern weltweit seit über 40 Jahren. Dadurch haben sie mittlerweile einen hohen Reifegrad erreicht, sodass ihre Anwendung zur Unterstützung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen (zB Düngeempfehlung, Bewässerungsschema, Fruchtfolgeplanung) möglich ist.

Wie funktionieren Pflanzenwachstumsmodelle?

Pflanzenwachstumsmodelle berechnen, abhängig von Bodeneigenschaften, Witterungsbedingungen und Kulturpflanze, den täglichen Zuwachs an Biomasse in den einzelnen Pflanzenteilen (Stängel, Blätter, Wurzeln, Körner/Knollen, etc.) sowie den Fortschritt der Pflanzenentwicklung von Aussaat bis Reife (Abbildung 1). Um einen Pflanzenbestand für eine ganze Vegetationsperiode simulieren zu können, müssen auch wichtige Prozesse im Boden (Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit) berechnet werden. Ein fortschrittliches Modell, wie es in FARM/IT verwendet wird, berechnet unter anderem Stickstoffmineralisierung, -auswaschung und -verflüchtigung in Abhängigkeit von Niederschlägen und Bodenfeuchtigkeit. Stickstoffmangel und Trockenstress reduzieren den Biomassezuwachs und die Erträge.

Abbildung 1 Schematische Darstellung der Struktur eines Pflanzenwachstumsmodells.

Welche Daten benötigen Pflanzenwachstumsmodelle?

Um Vorhersagen machen zu können, benötigt ein Modell Informationen über:

  • Boden: Wie viel Wasser kann der Boden speichern? Wie viel organische Substanz und Stickstoff sind vorhanden?

  • Kulturpflanze: Welche Sorte wird ausgesät? Wie sind Reifezeit, Ertragspotential, und weitere Eigenschaften der Sorte zu bewerten?

  • Bewirtschaftungsmaßnahmen: Wann wird die Kultur angebaut? Wann und wie viel wird gedüngt und bewässert?

  • Wetter: Wie ist der Temperaturverlauf während der Wachstumsperiode? Wie hoch sind die Niederschläge, wie stark die Sonnenstrahlung?

Abbildung 2: Weizen Feldversuch im Juli 2014 mit vier Saatterminen und zwei Sorten in Groß-Enzersdorf (Marchfeld).

Wie werden Pflanzenwachstumsmodelle an lokale Bedingungen angepasst?

Für genaue Simulationen müssen Modelle für die lokalen Sorten und Umweltbedingungen angepasst werden. Diese sogenannte Parametrisierung ist eine wichtige und sehr aufwändige Vorarbeit, um für die österreichischen Standortbedingungen verlässliche Simulationsergebnisse zu erzielen. Parametrisierung bedeutet, die Eigenschaften von Pflanze und Boden mit Zahlenwerten (den Parametern) festzulegen. Da meist mehrere verschiedene Parameter das gleiche Merkmal beeinflussen (zB wird der Ertrag von vielen Eigenschaften bestimmt) ist es notwendig, die komplexen Wachstumsvorgänge der Kulturpflanze und Bodenprozesse zu berücksichtigen. Nur dadurch kann das Modell so parametrisiert werden, dass die Ergebnisse praxistauglich sind.

Im Rahmen des FARM/IT Projekts wird ein Pflanzenwachstumsmodell (iCrop, Soltani und Sinclair 2012) entwickelt und für die wichtigsten Böden und Kulturpflanzen in Österreich parametrisiert. Dafür werden Daten aus mehreren detaillierten Feldversuchen der Universität für Bodenkultur (BOKU) sowie externe langjährige Versuchsdaten mit Winterweizen, Mais, Zuckerrübe und Kartoffel verwendet. Beispielsweise wurde iCrop für die Weizensorte Xenos, angebaut an vier Saatterminen in 2013/14 in Groß-Enzersdorf (Marchfeld, Abbildung 2), parametrisiert. Die Simulationsergebnisse von Entwicklung (Abbildung 3) und Ertrag (Abbildung 4) stimmen mit den Felddaten sehr gut überein.

Wofür werden Pflanzenwachstumsmodelle in FARM/IT verwendet?

Beispiel: Optimierung der Stickstoff-Düngung für Winterweizen

Im Frühjahr stellt sich die Frage, wie viel Stickstoff-Dünger ausgebracht werden soll. Das iCrop Modell simuliert Biomasseentwicklung und Stickstoffaufnahme der Pflanzen bis zum Düngezeitpunkt. Mithilfe eines Spektral-Sensors wird der Stickstoffgehalt des Pflanzenbestandes auf dem Feld gemessen. Basierend darauf erstellt iCrop eine saison- und standortspezifische Stickstoff Düngeempfehlung.

Beispiel: Ertragsvorhersage

Einige Wochen vor dem tatsächlichen Erntezeitpunkt sind Vorhersagen der zu erwartenden Erträge für Betriebe die landwirtschaftliche Produkte verarbeiten enorm wichtig. Das FARM/IT Projekt entwickelt eine moderne Software basierend auf iCrop und Satellitendaten, um genaue Ertragsvorhersagen für beispielsweise Kartoffel, Zuckerrübe und Weizen zu erstellen.

Abbildung 3: iCrop-Simulationen (Linien) vs. Feldbeobachtungen (Punkte) des Entwicklungsverlaufs von Weizen (Sorte Xenos) in Groß-Enzersdorf.

Abbildung 4: iCrop-Simulationen (graue Balken) vs. Feldbeobachtungen (Punkte) des Kornertrags von Weizen (Sorte Xenos) in Groß-Enzersdorf.